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Haushalt 2026

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Ein Haushalt am Limit: Landkreis Esslingen steht vor schwierigen Jahren


Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Der Landkreis Esslingen rechnet im kommenden Jahr mit einem Defizit von rund 18 Millionen Euro – trotz steigender Einnahmen. Die Lage bleibt angespannt, und sie ist längst kein hausgemachtes Problem mehr. Landrat Marcel Musolf spricht von der „größten Finanzkrise der Kommunen seit der unmittelbaren Nachkriegszeit“ und macht deutlich, woran es aus seiner Sicht liegt: Bund und Land gewährten den Landkreisen nicht die dringend benötigte Finanzausstattung.


„Die Ansprüche müssen heruntergeschraubt, die Finanzverteilung zugunsten der kommunalen Ebene geändert, Bürokratie und Standards abgebaut sowie die heimische Wirtschaft massiv gestärkt werden“, forderte Musolf bei der Einbringung des Haushalts 2026. Auch die erwarteten rund sieben Millionen Euro jährlich aus den Sonderschulden des Bundes seien, so der Landrat, „kein Gamechanger“ für die Finanzlage des Kreises.


Diese Entwicklung ist kein lokales Phänomen, sondern Teil eines landesweiten Trends. Fast 90 Prozent der Landkreise in Baden-Württemberg können ihre Aufwendungen nicht mehr aus laufenden Erträgen finanzieren. Der Kreis Esslingen steht im Vergleich dazu noch relativ solide da – wirtschaftlich stark, mit einem breiten Mittelstand und stabiler Beschäftigung. Doch gerade diese relative Stärke darf nicht täuschen. Sie ist kein Zeichen von Sorglosigkeit, sondern Ausdruck besonderer Verantwortung.


Zwischen Pflicht und Möglichkeit


Der Kreistag steht vor schwierigen Entscheidungen. Wo lässt sich noch sparen, ohne die soziale und ökologische Verantwortung aufzugeben? Die Versuchung ist groß, sich auf das rechtlich Notwendige zurückzuziehen – auf die sogenannten Pflichtaufgaben. Doch eine solche Politik birgt Risiken.


Wenn freiwillige Leistungen wie Vereinsförderung, Musikschulen oder soziale Projekte dem Rotstift zum Opfer fallen, trifft das nicht nur das kulturelle Leben, sondern das Fundament des kommunalen Miteinanders. Sparen um jeden Preis mag kurzfristig die Bilanz verbessern, langfristig aber schwächt es das, was den Landkreis lebendig macht.


Das Soziale als wachsende Herausforderung


Die steigenden Sozialausgaben sind ein Spiegel gesellschaftlicher Realität: höhere Kosten in der Jugendhilfe, wachsender Unterstützungsbedarf für Menschen mit Behinderungen, die Unterbringung Geflüchteter. Niemand bestreitet die Notwendigkeit dieser Ausgaben – doch sie zeigen, wie sehr die kommunale Ebene mittlerweile zum Auffangbecken gesellschaftlicher Aufgaben geworden ist.


Das Problem liegt tiefer. Bund und Land übertragen Aufgaben, ohne die entsprechenden Mittel bereitzustellen. Zu oft müssen Landkreise das ausgleichen, was übergeordnete Ebenen beschließen.


Demokratie braucht Gestaltungsräume


Gerade deshalb ist Vorsicht geboten, wenn reflexartig gefordert wird, „endlich zu kürzen“. Denn Kommunen sind mehr als Verwaltungseinheiten. Sie sind die Keimzellen der Demokratie – Orte, an denen Politik konkret wird, an denen Menschen erleben, dass Teilhabe etwas bewirkt. In der Jugendarbeit, in der Kultur, im Ehrenamt, in Bürgerprojekten.


Wenn diese Räume verschwinden, weil ihre Finanzierung „nicht mehr leistbar“ ist, verliert Demokratie ihr Gesicht vor Ort. Eine Kommune, die nur noch Pflichtaufgaben erfüllt, verliert ihre Gestaltungskraft – und damit auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.


Verantwortung und Zukunft


Die Beratungen für den Haushalt 2026 zeigen, wie ernst die Lage ist. Sie zeigen uns aber auch, dass verantwortungsvolle Politik eben mehr ist als reines Rechnen. Es geht um die Frage, was der Staat leisten muss, damit die Gesellschaft funktioniert. Sparen ja – aber mit Maß und Ziel. Und mit dem Bewusstsein, dass jede Streichung auch eine politische Botschaft sendet: Darüber, was uns als Gemeinschaft wichtig ist.


Foto: Adobe Stock / Sculpies

 
 
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